Sowohl in HR Strategieguides warnen Organisationen aktiv davor, wie auch in Karriereratgebern jeder Suchende davor gewarnt wird. Wenn “Dinge schon immer so gemacht werden”, meinen beide Parteien, ist etwas faul, weil eine Organisation sich damit der Konstante des Wandels verschließt. Und natürlich ist der Ratschlag sofort nachvollziehbar, es ist mittlerweile eine Allgemein-Weisheit, dass Wechsel und Veränderung gut sind, positives Klima für Innovation erlauben und für frischen Wind sorgen.Nun ist die Digitalisierung ein sehr umfassender Wechsel, der auch selten aus der eigenen Organisation kommt, sondern von aussen einwirkt und zum Handeln zwingt.
Häufig versetzt Mitarbeiter dieser Druck in eine Zwangslage, in der Sie sich unwohl fühlen, ausserhalb der eigenen Komfort-Zone, gewissermaßen ins kalte Wasser geschmissen. Nun ist guter Rat teuer und man besinnt sich auf Werte und Verfahren, die sich bewährt haben.
Der Generation IT Fachleuten, die oft als Digital Natives zitiert werden, mag es fremd sein, aber IT ist ein Geschäft das schon lange existiert. So z.B. ist Microsoft bereits 1975 und SAP sogar schon 1972 gegründet worden, damit sind beide Organisationen mehr als 40 Jahre alt, deutlich älter als alle Digital Natives.
Ausgerechnet diese beiden Konzerne sind sehr gut darin, sich den veränderten Bedingungen der Digitalisierung anzupassen, aber veranschaulichen gut, dass die Branche eben nicht erst mit dem Internet geboren wurde. Eine ganze Reihe von Softwarelösungen existieren ebensolange und bieten Ihre Produkte Ihren Kunden am Markt feil, teilweise über Jahrzehnte hinweg ohne Produkte fundamental zu ändern.
Und genau dort ist die Crux an der Sache, Digitalisierung bedeutet für viele Außenstehenden immer noch, Software einzusetzen und nicht Vorgänge zu hinterfragen. So kann der Aufbruch in die Digitalisierung mit den Worten “wir machen das schon seit 15 Jahren so” eingeleitet werden. Eine Software habe sich schließlich bewährt, das sind die Worte die einem Kunden Erfahrung garantieren, auf einem Weg ins Ungewisse.
Digitalisierung bedeutet viel mehr, einen Kundenwunsch zu verstehen und dafür eine geeigneten Service zu entwickeln, dem Kunden eine Dienstleistung anzubieten die ihm das Leben vereinfacht. Software spielt dafür an sich nur eine untergeordnete Rolle. Software bringt aber die Möglichkeit mit sich, Abläufe zu automatisieren, einen Kunden besser und schneller zu bedienen als der Mitbewerber das tun könnte.
Traditionelle Anbieter von Software wie Microsoft und SAP haben das verstanden und verändern Ihr Angebot zur Dienstleistung hin, bieten mit Service Level Agreements abgesicherte Dienste und Kompatibilität mit offenen Standards an, die es Softwarekunden einfach machen, in der Wertschöpfungskette aufzusetzen und Ihrerseits einen weiterentwickelten Dienst anzubieten.
Daher tun sich Firmen, die einmalige Softwarelizenzen anbieten, zunehmend schwer. Zu schnell dreht sich das Rad der Innovation, um on-Premise Installationen mit einem solchen Modell bedienen zu können. Die Alternative, App-Stores, leiden unter einem enormen Preisdruck, was einem Industrie-Manager aber genausogut gefällt wie langjährige, gute Bewährung eines Produktes.
Und so muss die Digitalisierung in der Industrie noch einmal warten, bis die Software abgeschrieben ist und in einem Jahre dauernden Projekt abgelöst werden kann. Und so bestätigt das Dogma, eine grundlegende, normative Lehraussage, deren Wahrheitsanspruch als unumstößlich festgestellt wird, eine Entscheidung zur Software hin, erlaubt den Einsatz neuer Produkte für bekannte Prozesse, und verhindert damit gleichzeitig die Digitalisierung und den tatsächlichen Wandel zum Service-Business.
Disclaimer: Der Autor ist seit kurzem Mitarbeiter eines großen, traditionsreichen, deutschen Konzerns um dort mit die Digitalisierung voranzutreiben. Die vorangegangenen Gedanken sind in keiner Weise mit dem Konzern abgestimmt und spiegeln alleinig die Erfahrung und Meinung des Autors wider.